Ausstellung Kommerzwüsten

© jane bley

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Blühende Kommerzwüsten

 

Die strukturelle, inhaltliche und optische Verarmung der Innenstädte in Mitteleuropa ist von jedem Besucher, Touristen aber auch Bewohner unserer Städte leicht erkennbar. Normaldidl und Prakhobahr, Ihr Müllmann und die weiteren allseits bekannten Discounter entziehen sich und damit den Stadtzentren die Substanz. Sie siedeln sich im Speckgürtel der Städte an – auf der grünen Wiese – und verwirklichen dort ihre beispiellos beispielgebenden Vorstellungen moderner Industriearchitektur. Nachdem wir ja alle nicht blöd sind und außerdem so geil, dass wir vor Geiz strotzen folgen wir dem propagierten IchIchIch. Inzwischen sieht fast jede Klein- bis Großstadt in unserer Region gleich oder sehr ähnlich aus.

In Anlehnung an Dieter Wieland ist nun nicht nur „Grün kaputt“, sondern eben auch „Stadt kaputt“. Hier geht Kultursubstanz verloren und es braucht dafür noch nicht einmal die Schändung von Altertümern. Aber genug der Polemik: Wir wollen mit unseren Mitteln bewusst und sichtbar machen, eine innere Haltung zu dem Problem aufbauen und möglichst auch andere erreichen, um das Problem über den Filter der Fotografie reflektieren zu lassen. Vielleicht gelingt es uns dann leichter überlegt und kulturbezogen bewahrend und nicht mehr konsumtriebgesteuert destruktiv zu handeln.

 

 

Laura

Tanke

 

Wiesen zu Wüsten

Zeitgenössische Stadtplanung und modernes Bauen zur optimalen Nutzung der Grünflächen und Naherholungsgebiete, nicht nur am Stadtrand, durch diverse Einkaufsmärkte, Solaranlagen, Autobahnen usw., zeigt sich als Alptraum für viele Naturliebhaber.

Obwohl von uns sicher auch als bequeme Einkaufsmeile, schnelle
Verbindungsstraße, oder als Stromerzeuger genutzt, sind diese „Bauwerke“ uns doch ein Dorn im Auge.
Kein Weitblick mehr möglich, keine Oase für unsere gestressten Körper, für
Geist und Seele.

 

Jane

duo

Die entstandenen Discountgeschäfte und Verbrauchermärkte im Speckgürtel
sind typische Beispiele für die städtische Verödung. Die Folge sind leere
Schaufenster in den Innenstädten.
Der städtische Raum im Wandel zum Einheitsbrei. Da gleichen sich die
Kommerzwüsten der Republik wie ein Ei dem anderen. Dem nicht genug: die
optimierten Billigläden sind auch noch doppelt nebeneinander anzutreffen:
mindestens zwei Bäcker, zwei Baumärkte, zwei Tankstellen, zwei Discounter,
zwei Drogerien, zwei Möbelgeschäfte, … Jeder buhlt mit teuren
Werbekampagnen um die Gunst der Kunden.
Wo bleiben die Individualität, die Qualität, der Service und die Fachberatung?

 

Georg Schuh

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Bildgewordenen Verblödung: Muttis Allrad-Monster mit Kindersitz und
„Atomkraft Nein Danke“ Aufkleber verziert die Parkplätze der Discounter auf
der grünen Wiese. Nur ist nicht mehr viel vom Grün zu sehen. Aus Ackerland
werden Asphaltwüsten – bequeme Verblödung. Grünes nur noch als Hintergrund
von Muttis Smartphone mit dem sie checkt, ob sie bei BLÖDI oder Rittmeister
noch ein paar Cent mehr sparen kann. Währenddessen die Omi mit ihrem
Rollator erster Klasse vergeblich in den verödeten Innenstädten nach einem
Tante-Emma-Laden sucht. Sie ist ja auch von gestern, ein Auslaufmodell
sozusagen, nicht mehr up to date, nicht online.
Die trostlose Absurdität der Lebenswirklichkeit dieser grünen Republik mit
ihren Asphaltwüsten, in denen nur der Kommerz blüht, und den öden
Innenstädten versuche ich bildlich umzusetzen.

 

Andi

Andreas Groh

 

Stadtrand im Industrieland:
Einkaufscenter und Gewerbegebiete.
Architektur und Bauweise uniform –
Profilblechquader (statt Wellblechhütten).
Ob bunt, ob grau, ist einerlei;
und grau passt wenigstens zum Parkplatz.
Wenn man drin ist – im E-Paradies – ist’s eh egal.
Fenster gibt es auch nicht – wozu auch. wolfi
Auch in den Industriegebieten der Stadtränder finden sich immer wieder
Motive, die – in der richtigen Lichtstimmung aufgenommen – auf den ersten
Blick mit einer gewissen Romantik erscheinen. Erst mit dem zweiten Blick
erschließen sich dann die teils grotesken Auswüchse der Kommerzwüsten, von
überdimensionierten Osterhasen bis zum verlassenen Großparkplatz im Nebel.

Petra

Petra Meier

Ist es bald soweit? Neustadt a.d. Aisch wie Lauf?, Wendelstein wie Kornburg?
Dormitz wie Rednitzhembach? Und am Ende noch Nürnberg wie Fürth? Wo ist noch
der Unterschied zu Castrop- Rauxel?
Jeder Ort, jede Stadt bekommt Ihr eigenes Einkaufsparadies! Toll! Nur merkt
denn jemand, dass alles gleich und gleicher wird? Was sieht man als erstes?
Die immer gleiche Kommerzwüste als „Brunnen vor dem Tore“. Wo bleibt die
regionale Identität? Wird alles so austauschbar wie die gleichen Angebote
der unterschiedlichen Discounter?
Naja, aber nur schlechtreden hilft auch nichts, da wir ja fast alle dort
einkaufen und zur blauen Stunde machen sich doch die bunten Logos ganz gut
vor unserem Steckerlaswald.

 

Oliver

(c) Oliver Lowig

Höher! Schneller! Weiter! Umsatzsteigerung! Gewinnmaximierung!
Man hat das Gefühl, dass in der jetzigen Zeit nur noch diese Dinge zählen.
Auch wenn dies, in gewisser Weise, nachvollziehbare Ziele sind, fühlt man
sich, von dem was die Unternehmen daraus machen, oftmals förmlich
erschlagen.

Wo bleibt das Menschliche, das Individuelle, das Persönliche?

Eine rastlose Zeit – vor allem auch für die Augen. Da kehrt auch nachts
keine Ruhe ein. Sondern selbst da wird mit großen leuchtenden Lettern auf
sich
aufmerksam gemacht, damit man auch ja im Gedächtnis der Verbraucher ist.

 

Chris

© ChrisRupp Namensvehunzungen
(Un-)Sinnige Werbebotschaften kontrastieren und konterkarieren die oftmals
‚schlichte Anmut‘ städtischer Architektur und während die ‚Nahversorger‘
gerade noch ihr trauriges Dasein fristen, sagt das vermeintliche
Konsum-Mekka „Dankeschön!“
gerhard
Warum treiben die Kommerzwüsten derartige Blüten? Ist es der Handel, der mit
massiven Angeboten lockt und verführt? Ist es der unmündige Kunde, der im
„Geiz ist geil“-Modus derartige Blüten fördert und fordert. Beide Antworten
beinhalten sicherlich einen Kern Wahrheit. Um nun nicht die
Billigsupermarktkettenkäufer oder die Handelsketten selbst zu verunglimpfen,
ist für mich Humor ein Weg mich mit dieser Entwicklung auseinanderzusetzen.
Die Fotos bringen die Botschaften der Handelsketten auf einen evtl.
ungewollten Punkt. Vielleicht regen sie darüber auch etwas zum Nachdenken
an.

 

 Renate

© Renate Heinl Netto in Flammen

Die Kante der metallischen Giebelverkleidung eines Supermarktes
durchschneidet in der optischen Linie eine im Hintergrund stehende
Dorfkirche. Grellbunt brennt sich das Logo eines Supermarktes durch das
verschwimmende Blätterwerk eines Busches auf die Netzhaut des Betrachters.
Kalt, dunkel, insektenhaft heben sich Industrietürme vom blauen Himmel ab
und kontrastieren zu einem Werbeplakat, auf dem eine Fülle
knusprig-goldbraunen Gebäcks zum Genuss einlädt. Die Türme einer
Industrieanlage verschmelzen farblich mit dem Logo eines Supermarktes und
lösen ihre Konturen himmelwärts auf.

Meine Fotos zeigen irgendeinen Supermarkt und irgendeine Industrieanlage am
Rande irgendeiner Stadt. Als Symbole für Massenproduktion und Massenangebot
habe ich sie bildlich in Bezug gesetzt zu Repräsentanten der
Grundbedürfnisse unseres Lebens.

 

 Markus

© Markus Hilbig

Die Zeiten ändern sich – und wir uns in ihnen

Von der Spielwiese meiner Jugend zum Einkaufserlebnis von heute
Früher war da mal die Wiese. Dort habe ich als Kind gespielt – Flugmodelle,
Drachen. Heute kann man Einkaufen. Wie praktisch – sagen meine Eltern. Jetzt
brauchen wir nur noch selten in die Stadt.

Von der altehrwürdigen Universität zur Wissensfabrik von heute
Die Universität in der guten, alten Zeit! Was verbindet man nicht damit und
dem Studentenleben: alte Gebäude, große Bibliotheken, Wissenschaft,
Freiheit, die Ideale von Humboldt. Eine unbeschwerte Zeit und die
Gewissheit, gut für das Leben gerüstet zu sein. Alle Tore stehen offen; die
Welt wartet nur darauf, erobert zu werden.
Doch was ist daraus geworden? Oftmals ein Massenbetrieb in öden Betonbauten.
Diese wirken erdrückend; der Mensch fühlt sich dort verloren wie in einem
Labyrinth. Studenten werden irgendwie durchgeschleust, haken Praktika und
Seminare ab. Am Ende steht der Abschluss, aber doch ist etwas auf der
Strecke geblieben, was früher ein Studium ausgemacht hat. Umso größer ist
dann der Praxisschock, falls nicht manche Tore verschlossen bleiben.